aus: ZFWU, Zeitschrift für Wirtschafts- und
Unternehmensethik, 2/2001, S217- 238
www.immobilienbetrug.de
- www.bankopfer.de
- www.bankenkriminalität.de
...
Grundvorgang und Folgen
massenhaft betriebener
Immobilienfinanzierung
Prof. Dr. Günther Schanz
Institut für Unternehmensführung / Universität Göttingen
Platz der Göttinger Sieben 3
37073 Göttingen
Tel.: ++49(0)551/394712
Fax: ++49(0)551/395418
Email: gschanz@gwdg.de
Prof. Dr. Günther Schanz, geb. 1943, ist
Direktor des Instituts für Unternehmensführung der Universität Göttingen.
Hauptarbeitsgebiete sind Unternehmensführung, Organisation, Personalwirtschaft,
Grundlagenprobleme der Betriebswirtschaftslehre sowie betriebswirtschaftliche
Ostasienforschung
Stichworte: Bankenethik,
Immobilienbetrug, Individualethik, Institutionenethik, Rechtsordnung,
Wirtschaftskriminalität
Der Beitrag handelt von betrügerischen
Verkäufen von Immobilien an etwa 300.000 Empfänger kleiner und mittlerer
Einkommen. Gemeinsame Grundlage bildete stets ein so genanntes Treuhandmodell.
In mindestens 50 Prozent aller Fälle war daran die Bayeriche Hypotheken- und
Wechselbank bzw. deren Rechtsnachfolgerin, die Bayerische Hypo- und
Vereinsbank, beteiligt. Es wird dargestellt, wie sich dieses Institut seiner
Verantwortung für den entstandenen wirtschaftlichen und psychischen Schaden
stellt.
The
article deals with fraudulent sales of real estate to aproximately 300.000
recipients of low and middle income. In all cases a common pattern was followed
("Treuhandmodell"). Within this model some german banks acted not
only as lenders (of loans), but together with "trustees" also as
initiators. Sales people, often trained by banks, promised the
investors/victims among other things a bank-approved investment and, most
importantly, a guaranteed rental income. Only a few years later, after the
collapse of the housing projects (Wohnanlagen), more and more of them became
unable to make further payments. – In at least 50 percent of all cases
Bayerische Hypotheken- und Wechselbank (HypoBank) and – after the merger with
Bayerische Vereinsbank – Bayerische Hypo- und Vereinsbank (HypoVereinsbank) is
deeply involved in the fraud. It is not only a legal question, but also a
question of business ethics, how this financial institute deals with its
responsibility for the economic damage and the mental harm that was caused by
its adventurous financing practices.
Dass sich rund um Immobilien ein weites Feld für kriminelle, auf jeden Fall moralisch fragwürdige Handlungen auftut, ist wohlbekannt. Im Folgenden ist von einem noch wenig bekannten, gleichwohl aber besonders spektakulären Fall des Immobilienbetrugs zu berichten, der geradezu zwangsläufig die Frage nach der Wirtschaftsethik im Allgemeinen und der Bankenethik im Besonderen aufwirft. Die Betroffenheit der Geschädigten reicht regelmäßig weit über einen Totalverlust der Investitionssumme hinaus.
Die Zahl der Betrugsopfer dürfte sich auf etwa 300.000 belaufen – zumeist Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen. Für nicht wenige von ihnen hat sich der gutgläubige Erwerb einer relativ kleinen Eigentumswohnung oder eines Appartements als eine die wirtschaftliche Existenz massiv bedrohende, teilweise sogar ruinöse Angelegenheit erwiesen; hinzu kommt das psychische Leid, das sämtliche Investoren über Jahre hinweg erfahren haben und dessen Ende für die meisten noch längst nicht abzusehen ist. Zahlreiche Opfer stammen aus den neuen Bundesländern. Für die in das System involvierten Banken handelte es sich um ein Massengeschäft, dessen (angenommene) Lukrativität die branchenübliche Vorsicht bei der Vergabe von Krediten offensichtlich völlig verdrängte.
Über
einzelne Aspekte des nahezu identischen Grundvorgangs, durch den aus Investoren
massiv betroffene Opfer geworden sind, ist von den Printmedien und vom Fernsehen
in der jüngeren Vergangenheit schon verschiedentlich berichtet worden. Die beteiligten
Banken gaben dabei in aller Regel eine ausgesprochen schlechte Figur ab. Zu
einer wichtigen Informationsquelle hat sich darüber hinaus das Internet
entwickelt. Aber nicht nur dies: Dieses Medium ermöglicht eine wirksame Organisation
der Geschädigten sowie den schnellen Austausch von Erfahrungen. Zahlreiche
regionale und überregionale Arbeitskreise mit dem Ziel der Zusammenführung und
der Aufklärung von Geschädigten sind so entstanden. Es werden mehr und mehr
Belege gesammelt, die "den flächendeckenden Immobilienbetrug von Konstanz
bis Flensburg, von Aachen bis Zittau" (Internetzitat) an das Licht der
Öffentlichkeit bringen. Das Internet fungiert dabei auch als Instrument der Bloßstellung, als
moderner Pranger gewissermaßen. Wer mag, kann sich von der Präsenz der
Geschädigten mühelos selbst einen Eindruck verschaffen. Die im Titel
aufgeführten Web-Sites stellen dabei nur eine kleine Auswahl dar: Hilfeschreie aus dem Internet allesamt.
Faktisch ist davon auszugehen, dass die von einzelnen Banken als Massengeschäft betriebenen ruinösen Finanzierungspraktiken ein Politikum ersten Ranges darstellen. Wenn sie als solches bislang noch nicht (vollumfänglich) wahrgenommen werden, so mag dies auch daran liegen, dass weder Grundvorgang noch Folgen gesamthaft darzustellen versucht worden sind. Die sich mehrenden Fachartikel befassen sich praktisch ausschließlich mit komplexen rechtstechnischen Einzelheiten, die das wirkliche Ausmaß der Betroffenheit auch nicht annähernd erahnen lassen. Dieses kann erst dann sichtbar werden, wenn neben dem Erwerbsmodell auch die regelmäßige Entwicklung der Investitionsobjekte zu Schrottimmobilien und die damit verbundenen Folgen für die gutgläubigen Erwerber nachgezeichnet werden.
Der Versuch einer in diesem Sinn gesamthaften Darstellung wird im Folgenden unternommen. Nicht die juristischen Details, sondern Fragen wirtschafts- und speziell bankenethischer Art stehen im Vordergrund. Wie der Leser bald feststellen wird, spielt dabei das Kreditvergabegebaren der HypoVereinsbank eine besondere Rolle; jener Bank, von der ohne Übertreibung und bewusst doppeldeutig formuliert gesagt werden kann, dass sie in die zu beschreibende Finanzierungspraxis abgrundtief verstrickt ist.
In die Darstellung fließt insofern Insiderwissen ein, als der Autor selbst Opfer ist. Der Entschluss, dies hier (und auch bei anderen Gelegenheiten) zu offenbaren, fiel nicht leicht. Ob dies zwangsläufig zu Lasten der Objektivität geht, mag der Leser selbst entscheiden. Fest steht, dass im hier auszubreitenden Zusammenhang persönliche Betroffenheit Dinge einzubringen erlaubt, an die der "Distanzforscher" – so sehr er sich auch bemüht – nie wirklich heranzukommen vermag. Und außerdem: Offen an den Tag gelegte Entrüstung kann im vorliegenden Fall nicht schaden.
In dem Erwerbsmodell, das als Plattform für massenhafte Immobilienfinanzierung und die damit zwangsläufig verknüpfte Schadensverursachung dient(e), sind Banken nur ein Baustein – allerdings der wichtigste. Wenn das raffinierte Zusammenspiel der verschiedenen Beteiligten heute in seinen Grundzügen recht gut bekannt ist, so ist dies maßgeblich dem engagierten Bemühen und der Öffentlichkeitsarbeit einiger weniger Rechtsanwälte zu verdanken (vgl. insbesondere Fuellmich/Rieger 1999).
Der potenzielle Erwerber hatte im Grunde genommen überhaupt keine Chance, zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses das mit ihm betriebene Spiel zu durchschauen; dies auch dann nicht, wenn ihm ein hohes Maß an Geschäftserfahrenheit zu bescheinigen ist. Seine wichtigste Informationsgrundlage bildete in der Regel ein keineswegs unseriös anmutender Verkaufsprospekt, und es liegt schon aus Gründen der Authentizität nahe, dies eingangs am Beispiel eines konkreten Objektes zu beschreiben. Erst im Anschluss daran wird dann die Allianz der Schadensverursacher einer näheren Betrachtung unterzogen.
Die nun vorzutragende Geschichte beginnt Anfang der 90-er Jahre. Sie betrifft das Objekt Am Forum, Homburg/Saar und steht stellvertretend für viele andere Wohnanlagen. Allesamt nach dem gleichen Grundmuster konzeptioniert, ereilte sie später in Gestalt des unaufhaltsamen Abstiegs zu einer Schrottimmobilie ein weitestgehend identisches Schicksal: Stets ging es um den Verkauf einer kleinen Eigentumswohnung bzw. Appartements als systematischer Teil eines größeren Objektes. Im Fall Homburg/Saar waren es 317 Einheiten (plus 107 Kfz-Stellplätze und 32 Garagen) mit Wohnflächen zwischen 22 und 36 qm. Die Errichtung – verteilt auf insgesamt zehn verschiedene vier- bis fünfgeschossige Baukörper – begann 1991 und wurde zügig abgeschlossen. Der Kaufpreis lag zwischen etwa DM 88.000 und DM 163.000; im zweiten Fall unter Einschluss einer Garage.
Im Verkaufsprospekt wurde Homburg (durchaus unverdächtig) als eine aufstrebende, dynamische deutsche Kreisstadt, zugleich Sitz der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes vorgestellt, deren ausgezeichnete Infrastruktur – rund 1.800 Gewerbebetriebe mit 32.000 Arbeitsplätzen, darunter bekannte Unternehmen – für eine anhaltende Expansion im Wirtschaftsleben sorgen würde. Speziell Homburgs Bedeutung als Universitätsstadt habe in der jüngeren Vergangenheit dermaßen zugenommen, dass die vorhandenen Wohneinheiten die Nachfrage "längst nicht mehr decken können". Auch der Hinweis auf den hohen Freizeitwert Homburgs und seiner Umgebung erschien keineswegs aus der Luft gegriffen. Kurz: Der potenzielle Investor durfte davon ausgehen, ein ebenso attraktives wie zukunftssicheres Objekt zu erwerben. Dahingehend wurde er zusätzlich mit dem Hinweis bestärkt, in Gestalt von Grundbesitz schütze man "erfahrungsgemäß sein Vermögen nicht nur gegen eine anhaltende Inflation, sondern es kann darüber hinaus einen beachtlichen Wertzuwachs erfahren". Nicht ohne Grund würden daher erfahrene und auf Sicherheit bedachte Anleger vorwiegend in den Bereich der Immobilien investieren – ein fataler Irrtum, wie sich wenige Jahre später herausstellen sollte.
Im Prospekt wurde ferner ein für vermutlich nicht wenige Anleger kaufentscheidender Aspekt angesprochen: dass "durch verschiedene Vertragspartner ein Service- und Leistungspaket zur Entlastung des Anlegers angeboten" wird. Im Sinne eines BFH-Urteils stelle dieses Bündel von Einzelverträgen ein einheitliches Vertragswerk dar – eine Formulierung, die gewiss nicht dazu angetan war, Misstrauen aufkommen zu lassen.
Auf die einzelnen Bestandteile des Vertragswerks muss an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden, zumal sie in späteren Ausführungen noch eine Rolle spielen. Hinzuweisen ist lediglich auf die Notwendigkeit des Abschlusses einer Kapitallebensversicherung sowie auf eine Mietgarantie. Was Erstere anbelangt, so wurde im Prospekt ausgeführt, es sei vorgesehen, "den abzuschließenden Darlehensvertrag für das Kaufobjekt durch eine Versicherung dergestalt zu unterlegen, dass die üblicherweise anfallende Tilgung des Darlehens für dessen gesamte Laufzeit (29 Jahre; G.S.) ausgesetzt wird und nach Ablauf der Versicherung aus dem Versicherungsguthaben die Ablösung erfolgt". Letztere, die vertraglich zugesicherte und später wohl nur in wenigen Ausnahmefällen tatsächlich 'werthaltig' gewordene Mietgarantie (für eine Dauer von fünf Jahren) dürfte ebenfalls ein für viele Erwerber mitentscheidendes Kaufargument gewesen sein.
Wie wohl in allen Fällen, denen das zu skizzierende Erwerbsmodell zu Grunde liegt, enthält auch der Verkaufsprospekt für die Wohnanlage Homburg/Saar Hinweise auf steuerrechtliche Aspekte. Ob diese bei den Investoren im Vordergrund standen oder nicht – mitentscheidend waren sie allemal. Und da war es beruhigend zu lesen, das Konzept nutze "konsequent die sich aus den bestehenden Steuergesetzen, der Finanzrechtsprechung und der langjährigen Verwaltungspraxis ergebenden steuerlichen Auswirkungen." Dass in diesem Zusammenhang auch (seinerzeit) neueste höchstrichterliche Entscheidungen angeführt wurden, verlieh der Darstellung zusätzlich einen seriösen Anstrich.
Der Finanzierung des Kaufpreises – spätestens hier geraten einzelne Banken ins Blickfeld – kommt im Rahmen des Erwerbsmodells selbstverständlich eine Schlüsselrolle zu. Weil dabei stets ein weitestgehend einheitliches Muster zur Anwendung kam, wird darauf im folgenden Abschnitt eingegangen.
Für den gutgläubigen Erwerber nur teilweise erkennbar, hatte er es mit einem Notar, einem Treuhänder und "Konzeptionär", einer Vertriebsgesellschaft, einem Bauträger, einer Bank und später dann auch mit einer Hausverwaltung zu tun. In aller Regel handelte es sich dabei um ein eingespieltes Team; eine aus Opfersicht verhängnisvolle Allianz von Schädigern. Auch wenn dabei nicht allen Beteiligten unterstellt werden muss, sie hätten den (langfristigen) wirtschaftlichen Ruin der Erwerber des eigenen (meist kurzfristigen) Vorteils wegen (zu dieser Ethikposition vgl. Weise 2000: 11) bewusst einkalkuliert, steht außer Frage, dass eben dies billigend in Kauf genommen wurde. Für diese Vermutung spricht unter anderem, dass es ganz offensichtlich keine einzige Wohnanlage gibt, die sich – entstanden auf der Grundlage des zu skizzierenden Erwerbsmodells – als funktionsfähig erwiesen hat. Gäbe es solche, so wären diese von den in das Betrugsmodell systematisch eingebundenen Banken in den verschiedenen gerichtlichen Auseinandersetzungen, in die sie sich zunehmend verwickelt sehen, längst benannt worden. Das ist jedoch nicht der Fall. Insofern kann ohne weitere Bedenken unterstellt werden, dass das Scheitern des Erwerbsmodells einem systematischen Muster folgt.
Strukturvertriebe
Aus der Sicht des gutgläubigen Käufers der Immobilie wurde der Erwerb in aller Regel von einem Vertriebsmitarbeiter in Gang gesetzt. Dass dieser in Wirklichkeit lediglich ein Baustein(chen) eines straff organisierten Systems – Baustein eines Strukturvertriebs, wie man heute meist sagt – war, konnte er keinesfalls erkennen. In nicht wenigen Fällen dürfte es sich um einen dem potenziellen Erwerber schon länger bekannten (hauptamtlichen) Versicherungsvertreter oder Finanzdienstleister gehandelt haben.
Über das skrupellose Vorgehen von
Strukturvertrieben ("Strukkies") konnte mittlerweile viel in
Erfahrung gebracht werden. Angesichts dessen, dass hier vorrangig nach
Bankenethik gefragt wird, kann darauf verzichtet werden, über Details aus der
reichhaltigen Trickkiste zu berichten, deren man sich bei Bedarf und zum Zweck
der Erlangung einer Verkaufsprovision bediente. Stets waren es die gleichen Kernargumente, mit denen man das
Vertrauen eines potenziellen Erwerbers zu gewinnen suchte – und häufig genug
auch gewann. Dies deutet auf systematische
Schulung hin, und es ist heute auch längst bekannt, dass finanzierende
Banken daran aktiv beteiligt waren (vgl. Abschnitt 4.1). Sie bestanden darin,
dass
- es sich um eine bankgeprüfte Immobilie handelt,
- um die sich der Erwerber, weil zunächst von einem Treuhänder, später dann von einer Hausverwaltung professionell gemanagt (vgl. unten), nicht selbst kümmern muss,
- eine Mietgarantie festen Bestandteil des Konzepts darstellt,
- die Investition – hier nicht weiter ausgeleuchtet – auch steuerlicher Gründe wegen außerordentlich attraktiv ist und man sich davon ggf.
- zu einem späteren Zeitpunkt problemlos durch Verkauf wieder trennen kann (... was vielfach auch gleich mit einem entsprechenden verbalen Hilfsangebot verbunden wurde).
Um diese Kernargumente herum rankten sich auf das Opfer mehr oder weniger geschickt zugeschnittene weitere Versprechungen. Auf einen Nenner gebracht: Selbst solchen Erwerbern, die an der einen oder anderen Stelle gedankliche Abstriche vom Versprochenen machten, musste das unterbreitete Angebot zwangsläufig vertrauenswürdig und die Immobilie als solide Investition erscheinen.
Treuhänder und
"Konzeptionäre"
Ganz anders als es ihr Name erwarten lässt, nehmen Treuhänder im vorzustellenden Erwerbsmodell eine moralisch und wohl auch strafrechtlich besonders fragwürdige Position ein; sie spielen darin eine das "Wesen der Treuhandschaft geradezu verhöhnende Rolle" (Fuellmich/Rieger 1999: 428). Ihre Schlüsselstellung zeigt sich andeutungsweise bereits darin, dass das Erwerbsmodell mittlerweile meist einfach Treuhandmodell genannt wird.
Bei den Treuhändern handelt(e) es sich regelmäßig
um Wirtschaftsprüfungs- oder Steuerberatungsgesellschaften, gelegentlich auch
um Rechtsanwaltskanzleien – in den meisten Fällen agierten sie auch als Modellinitiatoren bzw. als
"Konzeptionäre". Mit ihnen – und nur mit ihnen – wurde ein Treuhand- bzw. Geschäftsbesorgungsvertrag abgeschlossen, der sie unwiderruflich
dazu bevollmächtigte, sämtliche im Zusammenhang mit dem Immobilienerwerb
stehenden Verträge für den Erwerber abzuschließen. Anlass für besondere
Vorsicht konnte und brauchte dies zum Erwerbszeitpunkt allerdings nicht sein,
denn schließlich war ein professionelles und "pflegeleichtes" Investment
versprochen worden. Wesentlicher Inhalt des Geschäftsbesorgungsvertrags war die
Vermittlung der für die Finanzierung erforderlichen Kredite und deren Abwicklung.
Nicht in allen Fällen fungierten Treuhänder auch als "Konzeptionäre" der Immobilienobjekte. Im Fall der Anlage Am Forum, Homburg/Saar beispielsweise oblag dem als Steuerberatungsgesellschaft firmierenden Treuhänder lediglich die Abwicklung der sich aus dem Geschäftsbesorgungsvertrag ergebenden Vorgänge, während als Modellinitiator ein (sich im Verkaufsprospekt selbst so bezeichnender) "Konzeptionär" auftrat. Dass dieser (personell) praktisch identisch mit dem (später ins Spiel kommenden) Verwalter und Mietgaranten war, ließ sich nicht erkennen.
Obwohl sich für die Investoren wegen zweifellos schuldhaften Verhaltens der Treuhänder eigentlich hinreichend viele Ansatzpunkte für eine juristische Verfolgung ihrer Interessen ergeben, ist dieser Weg praktisch aussichtslos. Ihn einzuschlagen liefe vielmehr darauf hinaus, wovor der Volksmund seit eh und je warnt: Gutes Geld würde schlechtem hinterher geworfen (vgl. unten).
Notare
Geschäftsbesorgungsverträge – im hier zu beschreibenden Fall zwischen Treuhändern und Erwerbern einer kleinen Wohneinheit als Bestandteil einer größeren Anlage – bedürfen der notariellen Beurkundung. Die Form, wie diesem Erfordernis teilweise Rechnung getragen wurde, hat das juristische Schrifttum um einen vom Verein für Existenzsicherung geprägten Begriff bereichert: So genannte Mitternachtsnotare waren am Werk. Bezeichnet wurden sie so, weil sie sich zur ständigen Verfügung des Vertriebs bereit hielten; ggf. also auch in den späten Abendstunden oder an Wochenenden und sogar an Feiertagen, denn der Kauf sollte möglichst schnell unter Dach und Fach gebracht werden.
Allerdings dürfte diese Art der Abwicklung eher
die Ausnahme als die Regel gewesen sein, denn zumindest für geschäftserfahrene
Erwerber wäre sie wohl eher dazu angetan gewesen, Misstrauen aufkommen zu
lassen. In der überwiegenden Zahl der Fälle verlief die notarielle Beurkundung
völlig unspektakulär. Ihr Erfordernis war im Prinzip sogar dazu angetan, den Erwerber in dem Glauben zu bestärken, dass alles "mit rechten Dingen"
zugeht. Dass durch eine einzige zu leistende Unterschrift – denn alles Andere
erledigte dann der Treuhänder – ein häufig existenzgefährdender, auf jeden Fall
seelisch aufreibender Prozess in Gang gesetzt wurde, begann sich in aller Regel
erst nach etwa drei bis vier Jahren abzuzeichnen...
Vermittelt wurde der Notariatstermin übrigens regelmäßig durch den Vertrieb; sogar der Transport dorthin ist nicht selten durch diesen organisiert worden. Die Unterzeichnung erfolgte stets in Gegenwart eines Vertriebsmitarbeiters, und aus heutiger Sicht ist natürlich auch leicht zu erkennen, weshalb so verfahren wurde. Als es darum ging, eine notariell beglaubigte Unterschrift zu leisten, stellte sich das Ganze als unverdächtiges Bemühen dar, den Vorgang möglichst angenehm zu gestalten – als Dienst am Kunden.
Banken
nehmen im Erwerbsmodell schon deshalb die
Schlüsselstellung schlechthin ein, weil ohne ihre Beteiligung das gesamte
Konzept überhaupt nicht hätte "funktionieren" und seine
katastrophalen Folgen zeitigen können. Dabei steht – und zu diesem Urteil muss
man bereits angesichts der Modellstruktur, spätestens aber vor dem Hintergrund
der mittlerweile vorliegenden Erkenntnisse über das wirkliche Ausmaß ihrer
Verstrickung kommen – zweifelsfrei fest, dass sie die gutgläubigen Erwerber in
ein offenes Messer haben laufen lassen. Nicht in Gestalt von einzelnen
Kreditsachbearbeitern, wohl aber als Institutionen
haben sie sich damit zutiefst unmoralisch
verhalten – was noch weiter dazulegen sein wird.
Banken traten im Erwerbsmodell als Bauträger-, Vor- und Endfinanzierer auf; in vielen Fällen gleichzeitig. Der Vorgang der Bauträgerfinanzierung muss hier nicht näher betrachtet werden. Zur Vorfinanzierung ist zu sagen, dass es sich dabei um das von den Erwerbern aufzubringende Eigenkapital handelte, das nach vorliegenden Erkenntnissen regelmäßig zehn Prozent des Gesamtaufwands ausmachte.
Das Hauptgeschäft der involvierten Banken war (und ist, denn die Verträge sind allesamt auf eine Laufzeit von bis zu 30 Jahren angelegt) natürlich die Endfinanzierung. In vielen Fällen, aber keineswegs durchgängig, erfolgte sie für sämtliche Erwerber einer Wohnanlage durch ein einziges Institut.
Die Kreditsumme belief sich auf mindestens 90 Prozent des Kaufpreises, in vielen Fällen sogar auf dessen volle Höhe. Angesichts der sonst üblichen Praxis der Immobilienfinanzierung fällt dies zwar völlig aus dem Rahmen, musste seinerzeit aber nicht zwangsläufig Misstrauen erregen. Wenn einem Erwerber beispielsweise versichert wird, dass die Investoren (wie er selbst) vorrangig Akademiker sind, so bestand dazu angesichts des (damals) finanziell überschaubaren Engagements kein Anlass.
Um den Gesamtvorgang und das Ausmaß der Verstrickung von einzelnen Banken wirklich zu verstehen, ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass kein Erwerber in direktem Kontakt mit dem vom Treuhänder "ausgewählten" Fremdfinanzierer stand. Damit konnte – und sollte, wie man aus heutiger Sicht wohl sagen muss – auch keine Beratung über die mit der Kreditvergabe verbundenen Risiken stattfinden. Angesichts der Modellkonstruktion glaubten sich die Banken hier offensichtlich juristisch auf der sicheren Seite. Unabhängig davon stellt sich die Frage nach den (un)ethischen Prinzipien, die einer derartigen Vergabepraxis zu Grunde lagen: "Kredite aus der Ferne" titelte "Der Spiegel" (Nr. 13, 1998) seinerzeit treffend.
Dabei ist dies, was bislang hier sichtbar gemacht wurde, ohnehin nur der eher unspektakuläre Teil der skandalösen Involviertheit einzelner Kreditinstitute in einen groß angelegten Fall von Immobilienbetrug. Bevor weitere Einzelheiten vorgetragen werden, ist das Geschehen rund um die gutgläubig erworbene, zudem "bankgeprüfte" Immobilie näher zu beleuchten. Dabei sollte endgültig deutlich werden, weshalb es vollauf gerechtfertigt erscheint, die Erwerber bzw. Investoren als Opfer zu bezeichnen. Der Schaden, der ihnen in schöner Regelmäßigkeit entstanden ist und weiter entsteht, geht weit über die Höhe des in Anspruch genommenen Kredits hinaus.
3. Der
unaufhaltsame Abstieg des Investitionsobjekts zur Schrottimmobilie
Hintergrund der folgenden Ausführungen ist abermals die Wohnanlage Am Forum, Homburg/Saar. Abgesehen von eher kleineren Unterschieden, die sich beispielsweise daraus ergeben, wann und ob es den Eigentümern gelingt, das Heft selbst in die Hand zu nehmen, ob sich unter ihnen engagierte und sachkundige Einzelpersonen finden oder wie sich die Belegung des Objekts mit Mietern konkret darstellt, folgt die Entwicklung der verschiedenen Investitionsobjekte jedoch stets einem identischen Muster. Es liegt nahe, dies anhand dreier Phasen deutlich zu machen.
3.1
Phase 1: Zeit der
Stille
Dass sich der Investor in ein überaus riskantes Abenteuer eingelassen hat, konnte er in der Regel erst nach einer Weile bemerken. Seine durchschnittliche Schonzeit dürfte sich auf etwa drei Jahre belaufen haben. Nennen wir diese Phase hier – bewusst mehrdeutig – eine Zeit der Stille.
Wie im Verkaufsprospekt angekündigt, setzte im Fall Homburg die Überweisung der Garantiemiete pünktlich ab dem Tag der Bezugsfertigkeit der Anlage (bzw. der einzelnen Baukörper) ein. Ferner wandte sich der (in Köln ansässige) Verwalter alsbald an jeden einzelnen Eigentümer mit dem Ersuchen, zum Zweck einer "optimalen Betreuung" der Errichtung einer objektnahen Unterverwaltung zuzustimmen – dies verbunden mit der beruhigenden Versicherung, die übergeordnete Verantwortlichkeit zur ordentlichen Abwicklung liege weiterhin bei ihm selbst.
Den Eigentümern seinerzeit vom Verwalter wohlweislich nicht mitgeteilt wurde, dass der Unterverwalter auch die Mietgarantien übernehmen würde. Dies erfuhren sie erst aus einem späteren Schreiben des Unterverwalters, was zum damaligen Zeitpunkt allerdings kein Anlass sein konnte, umgehend tätig zu werden. Dass sich der Verwalter die Vergabe der Unterverwaltung durch (teilweise oder völlige) Einbehaltung der für die Mietgarantie zur Verfügung stehenden Mittel honorieren ließ, konnte erst nach Konkurs des Unterverwalters im Jahr 1995, also nach etwa drei Jahren, in Erfahrung gebracht werden...
Im Vorfeld dieses Konkurses waren Unregelmäßigkeiten bei der Überweisung der Garantiemiete erste Indizien dafür, dass mit der Unterverwaltung möglicherweise etwas schief lief. Schriftliche oder telefonische Erkundigungen wurden mit dem Hinweis auf vorübergehende Liquiditätsschwierigkeiten, vor allem resultierend aus unregelmäßig eingehenden Zahlungen der Mieter, begründet.
Dass
der einzelne Eigentümer bei alledem weitgehend hilflos war, hängt wesentlich
damit zusammen, dass es bis zum Konkurs der Unterverwaltung nicht zur
Einberufung von Eigentümerversammlungen
kam. Dies ist übrigens kein auf Homburg geschränkter Einzelfall, sondern hat Methode: Die Eigentümer sollten, solange
es eben geht, von der Bündelung ihrer Interessen systematisch abgehalten
werden, obwohl das Wohnungseigentumsgesetz vom Verwalter ausdrücklich verlangt,
mindestens einmal pro Jahr eine Versammlung der Wohnungseigentümer einzuberufen
(§ 24 WEG).
An den
Verwalter gerichtete Anfragen, warum es zu keiner Einberufung kommt, wurden im
Fall der Anlage Homburg mit Abrechnungsproblemen, resultierend aus dem
unterschiedlichen Fertigstellungszeitpunkt der einzelnen Baukörper, vielleicht
nicht befriedigend, aber immerhin recht plausibel beantwortet. Damit konnte es selbstverständlich auch nicht zur Bestellung eines Verwaltungsbeirats
kommen; ein Muster, das sämtliche auf der Grundlage des skizzierten Erwerbsmodells entstandenen Wohnanlagen
erkennen lassen.
Damit blieb den Eigentümern auch verborgen, dass sich die Leerstandsquote in der Anlage kontinuierlich erhöhte; ein Vorgang, der eng mit dem Wandel der Mieterstruktur in Zusammenhang stand und der für das rasante Tempo des Niedergangs sämtlicher Objekte mitentscheidend ist, die seinerzeit auf der Grundlage des Treuhandmodells errichtet wurden.
3.2
Phase 2:
Miteigentümer werden zum unkalkulierbaren Risiko
Mit dem Konkurs des Unterverwalters war die Zeit der Stille zwar abrupt zu Ende, aber was dann nach und nach über die Eigentümer hereinbrechen sollte, ließ sich auch nicht annähernd voraussehen. Manchen von ihnen mag der Verwalter, der damit wieder auf den Plan treten musste, zunächst wie ein Retter aus einer verfahrenen Situation erschienen sein: Er erstellte unter anderem, bestimmt für das zuständige Amtsgericht und getrennt für jeden Eigentümer, eine Forderungsanmeldung zum Konkurs- bzw. Vergleichsverfahren über das Vermögen des Unterverwalters. Dass es mangels Masse nicht möglich war, die aufgelaufenen Forderungen – bei einem der größeren Appartements beliefen sie sich auf ca. DM 8.000 – zu befriedigen, stellte sich alsbald heraus.
Dem von einzelnen Eigentümern vorgetragenen Verlangen, endlich eine Eigentümerversammlung einzuberufen und eine Eigentümerliste herauszugeben, widersetzte sich der Verwalter zunächst trickreich. In einem äußerst mühsamen und auch kostspieligen Prozess gelang es dann allerdings nach und nach, dass zunächst einzelne, dann immer mehr Eigentümer miteinander in Kontakt kamen – ebenfalls ein verallgemeinerungsfähiger Vorgang. Auch angesichts der sich sehr schnell verschlechternden wirtschaftlichen Situation der Anlage konnte der Verwalter die Einberufung einer Versammlung schließlich nicht länger verhindern. Dabei erfuhren die Eigentümer erstmals, dass die Leerstandsquote bereits bei etwa 50 Prozent lag.
Die miserable wirtschaftliche Situation war aber auch maßgeblich darauf zurückzuführen, dass weder der Unterverwalter noch der Verwalter in der Vergangenheit irgendetwas unternommen hatten, um von säumigen Eigentümern die Zahlung des Hausgeldes zu erwirken. Auch dies gehört zu den verallgemeinerungsfähigen Erfahrungen, denn durch eine solchermaßen an den Tag gelegte Laxheit lässt sich die längst eingetretene Schieflage eines Objektes noch eine gewisse Zeit lang verheimlichen und an den nach wie vor zahlungswilligen und -fähigen Eigentümern weiter verdienen. Weshalb es überhaupt so viele säumige Miteigentümer gab, ließ sich zunächst nicht erkennen.
Bei der ersten, nach etwa vier Jahren endlich
möglich gewordenen Versammlung stellt sich heraus, dass – mit einer einzigen,
eher zufällig zustande gekommenen Ausnahme – sämtliche Eigentümer ihren
Wohnsitz relativ weit weg von Homburg/Saar hatten und sich zudem praktisch über
die gesamte Bundesrepublik verteilten. Auch dieses strukturelle Merkmal hat das
Objekt Am Forum, Homburg/Saar mit allen anderen Wohnanlagen gemeinsam, die auf
der Grundlage des skizzierten Erwerbsmodells erreichtet wurden: Es sollte, so
lange es eben möglich ist, eine wirksame Bündelung der Eigentümerinteressen
verhindert werden.
Ein Verwaltungsbeirat konnte aus verschiedenen (auch verfahrenstechnischen) Gründen während der ersten Versammlung noch nicht gebildet werden. Immerhin fanden informelle Gespräche zwischen einzelnen engagierten Eigentümern statt. Dabei war man sich einig, dass das Nahziel in einer möglichst schnellen Trennung von der bisherigen Verwaltung bestehen müsse.
Angesichts einer ebenso offensichtlichen wie eklatanten Missachtung der Eigentümerinteressen sollte man meinen, dass dies relativ einfach zu bewerkstelligen sein müsste. Dem ist – wiederum verallgemeinerungsfähig – jedoch keineswegs so. Da eine Anlage permanent einer Verwaltung bedarf, muss hier zunächst Ersatz gefunden werden. Dies erweist sich schon deshalb als schwierig, weil potenzielle Interessenten auf relativ detaillierte Informationen über den Objektzustand angewiesen sind; auf Informationen also, die in dieser Phase nur der bisherige Verwalter hat – und die er keineswegs herauszugeben bereit ist. Um die Geschichte kurz zu machen: Erfahrungsgemäß können (Erst-)Verwalter aus ihren lukrativen Verträgen nur äußerst mühsam herausgedrängt werden. Eine ordnungsgemäße Aktenübergabe dürfte die seltene Ausnahme darstellen – falls es sie überhaupt gegeben haben sollte. Damit gehen regelmäßig Informationen über Zahlungsein- und -ausgänge von Eigentümern und Mietern, über (bezahlte oder nicht bezahlte) Rechnungen und Verschiedenes mehr unwiederbringlich verloren.
In Homburg/Saar gelang es schließlich, sowohl einen Nachfolger zu finden und einen Verwaltungsbeirat zu etablieren. Dass der sich den Eigentümerinteressen so offensichtlich zuwider handelnde (Erst-)Verwalter seinerseits noch Schadensersatzansprüche geltend macht und diese nach Stand der Dinge möglicherweise vor Gericht sogar noch durchzusetzen vermag, gehört zu jenen Facetten des Gesamtvorgangs, bei denen der gesunde Menschenverstand endgültig kapituliert...
Dass die Erfahrungen der Eigentümer
mit dem zweiten Verwalter am Ende sogar noch schlimmer als mit seinem Vorgänger
sein würden, war eine ganze Weile lang nicht absehbar: Bislang unterlassene
Instandsetzungsarbeiten wurden zügig durchgeführt, das äußere Erscheinungsbild
der Anlage verbessert, die hohe Leerstandsquote zu senken versucht und
Verschiedenes mehr. Allerdings kamen dadurch auf die Eigentümer umgehend hohe
Kosten zu. Die mit Bestellung eines Verwaltungsbeirats nach und nach
hergestellte Transparenz ließ ferner ein grundsätzliches, alle Anlagen
desselben Typs gleichermaßen betreffendes Problem erkennen: Wie bereits
angedeutet, waren zahlreiche Eigentümer in der Vergangenheit ihren
Verpflichtungen zur Zahlung von Hausgeld gegenüber der Eigentümergemeinschaft
nicht nachgekommen; dies meist deshalb, weil sie dazu auf Grund ausbleibender
Mieteinnahmen auf der einen Seite und kontinuierlich anfallender
Darlehenszinsen sowie Beiträgen zur Lebensversicherung auf der anderen gar
nicht in der Lage waren. Anfängliche Versuche der Gemeinschaft, gegen säumige
Eigentümer gerichtlich vorzugehen, wurden alsbald eingestellt, denn trotz
gewonnener Prozesse erwiesen sich Pfändungen mit dem Nebenergebnis fruchtlos,
dass die klagende Gemeinschaft als Zweitschuldner auch noch die vollen
Gerichtskosten zu tragen hatte.
Man kann sich leicht vorstellen, worauf das allmähliche Herausbrechen von immer mehr zahlungsunfähigen Miteigentümern aus der Solidargemeinschaft zwangsläufig hinausläuft: Auf den stets kleiner werdenden Rest kommen kontinuierlich wachsende Sonderzahlungen zu, denn die ausbleibenden Beiträge für Wohngeld und Sonderumlagen müssen wegen gesamtschuldnerischer Haftung anteilig übernommen werden. Wenn es nicht irgendwie gelingt, die Notbremse zu ziehen, wird von dieser Lawine jeder Eigentümer erfasst. Rein rechnerisch ist es lediglich eine Frage der Zeit, wann eine auf Grundlage des skizzierten Erwerbsmodells errichtete Anlage auch den letzten von ihnen ruiniert!
Dass sich, dies vor Augen, zu den zahlungsunfähigen auch mehr und mehr zahlungsunwillige Eigentümer gesellen, kann nicht überraschen. Dabei wäre es ungerechtfertigt, solches Verhalten pauschal als Mangel an Solidarität und insofern als moralisch fragwürdig zu werten. Vielmehr handelt es sich um etwas, was man mit einiger Berechtigung als einen Fall von aufgezwungener Rationalität (oder: aufgezwungener Entsolidarisierung) bezeichnen kann, denn wer will schon sich und seine Familie geradewegs in den Abgrund reißen lassen?
Zu den Erfahrungen in Phase 2 gehört übrigens auch, dass sich ein Treuhänder gewissermaßen von heute auf morgen aus dem Staub machen kann. Um Aufklärung bemühte Eigentümer der Homburger Anlage mussten jedenfalls feststellen, dass weder telefonische noch postalische Anfragen ihr Ziel erreichten – wegen Insolvenz, wie sich später herausstellen sollte...
3.3
Phase 3: Das Unheil
nimmt seinen Lauf
Gegen die Einsicht, dass eine
Wohnanlage in der ursprünglich vorgesehenen Form nicht länger fortgeführt
werden kann, wehren sich viele Eigentümer und klammern sich statt dessen an die
Hoffnung auf Besserung. Im Fall des Objektes Am Forum, Homburg/Saar schien
diese zunächst auch berechtigt. Allerdings gelang es – aus welchen Gründen auch
immer – dem neuen Verwalter nicht, auf die Mieterstruktur nachhaltig Einfluss
zu nehmen und die Leerstandsquote auf ein akzeptables Maß zu reduzieren – im
Gegenteil.
Sowohl Fähigkeit als auch
Bereitschaft, die kontinuierlich wachsenden Belastungen in Form von
Sonderumlagen zu tragen, sanken rapide; teilweise wohl auch darauf zurückzuführen,
dass zumindest bei einigen Eigentümern der Verdacht aufkam, der Verwalter
könnte sein eigenes, ihren Interessen diametral zuwider laufendes Spiel
treiben. Die Anzeichen dafür wurden immer deutlicher. Kritische Eigentümer
wurden von ihm – unterstützt von willigen Rechtsanwälten, die es besser hätten
wissen müssen – mit "strafbewehrten Unterlassungserklärungen"
traktiert und grob verleumdet.
Zum Leidwesen für die
Eigentümergemeinschaft wurden auch die schlimmsten Befürchtungen noch
übertroffen: Aus Homburg/Saar kam eines Tages die Nachricht, dass sich der
Verwalter unter Mitnahme von Gemeinschaftsgeldern ins Ausland abgesetzt hat,
nicht ohne zuvor nahezu sämtliche Akten – darunter auch die des Verwaltungsbeirats,
weil diese bei ihm praktisch vollständig gelagert waren – zu vernichten.
Dies geschah 1999. Heute hat die Anlage ihren dritten Verwalter und einen neuen Verwaltungsbeirat. Die Eignerstruktur hat sich deutlich dadurch gewandelt, dass viele Appartements zwangsweise versteigert werden mussten oder für einen geradezu lächerlich niedrigen Betrag verkauft wurden; nicht selten für weniger als ein Zehntel des ursprünglichen Kaufpreises und mit (erforderlicher) Einwilligung der finanzierenden Bank. Dass Letztere dabei von einem ihr eingeräumten Vorkaufsrecht regelmäßig keinen Gebrauch macht, kann kaum überraschen.
Ob Anlagen wie die in Homburg/Saar langfristig überlebensfähig sind, erscheint zweifelhaft. Vielleicht droht manchem Objekt sogar der Abriss als konsequentes Ende eines Prozesses, der sich volkswirtschaftlich als Kapitalvernichtung größten Stils darstellt.
Für die Ersteigentümer ist das Abenteuer "Immobilie" natürlich nicht beendet, wenn sie sich durch (zwangsweisen) Verkauf davon getrennt haben. Ihnen sitzt nach wie vor die finanzierende Bank im Nacken, ferner müss(t)en sie Lebensversicherungsbeiträge aufbringen, um am Ende seiner Laufzeit das Darlehen zurückzahlen zu können. Es ist Zeit, sich dieser Problematik zuzuwenden. Wegen seiner abgrundtiefen Verstrickung liegt es nahe, sie am Beispiel eines im Freistaat Bayern residierenden Instituts darzulegen.
4.
Leben Sie. Wir
kümmern uns um die Details...
Die Bayerische Hypo- und Vereinsbank
(Kurzbezeichnung: HypoVereinsbank), deren tiefe Verstrickung in Gestalt
massenhaft betriebener Immobilienfinanzierung auf der Grundlage des skizzierten
Erwerbsmodells es im Weiteren zu beleuchten gilt, ist aus der im September 1998
erfolgten Fusion zwischen den beiden Münchener Großbanken Bayerische
Vereinsbank und Bayerische Hypotheken- und Wechselbank (Kurzbezeichnung:
HypoBank) hervorgegangen. Um das Vertrauen ihrer Kunden wirbt sie – in dieser
Hinsicht keinen Aufwand scheuend – mit dem sinnigen Spruch "Leben Sie. Wir
kümmern uns um die Details". Die gutgläubigen Erwerber und heute arg gebeutelten
Opfer der Finanzierungspraktiken dieses Instituts als Rechtsnachfolger der ehemaligen
HypoBank müssen diese Botschaft als schlimme Verhöhnung empfinden – oder
einfach als schlechten Witz!
4.1
Wie die
HypoVereinsbank zu einem "Workout Portfolio" kam
Die auf dem Treuhandmodell
basierende Immobilienfinanzierung wurzelt praktisch ausschließlich im
Kreditvergabegebaren der traditionell schwerpunktmäßig im Immobiliengeschäft
tätig gewesenen Bayerischen Hypotheken- und Wechselbank. Pikanterweise dürfte
es auf die verschiedentlich offen ausgelebte Rivalität zwischen den beiden
bayerischen Finanzinstituten zurückzuführen sein, die dafür (mit)entscheidend
war: Massenhaft betriebenes, in Treuhandmodelle eingebettetes
Immobilienkreditgeschäft schien die Möglichkeit zu bieten, mit dem Dauerrivalen
gleichzuziehen oder dessen Vorsprung zumindest zu verringern. Dass es später zu
einem (vom Freistaat Bayern und der Allianz Versicherungs AG geförderten)
Zusammenschluss kommen würde, konnte seinerzeit niemand ahnen...
Eine erste Bewährungsprobe hatte das neu entstandene Institut fast unmittelbar nach der erfolgten Fusion zu bestehen, als Ende Oktober 1998 wegen Falschbewertung von Immobilienbesitz(!) ein zusätzlich notwendiger Wertberichtberichtigungsbedarf in Höhe von 3,5 Mrd. DM bekannt gegeben werden musste. Nur einer aus Vorstandssicht geschickten Handhabung in Gestalt der Bestellung eines später tätig werdenden Sonderprüfers war es zu verdanken, dass die erste Hauptversammlung am 6. Mai 1999 verhältnismäßig glimpflich verlief. Abgesehen davon, dass es auch in diesem Fall um Immobilien ging, hat dieser Vorgang mit dem hier zu beschreibenden Fall inhaltlich jedoch nichts zu tun. Im Geschäftsbericht für das Jahr 1998 findet sich dennoch eine Bemerkung, die sich darauf bezieht: "Für Verunsicherung an den Kapitalmärkten haben auch irreführende Medienberichte über Risiken der von Strukturvertrieben vermittelten Immobilienfinanzierungen gesorgt. Diese unrichtigen Darstellungen haben wir mit Nachdruck zurückgewiesen. Die HypoVereinsbank hat im Rahmen ihrer Risikovorsorge für alle erkennbaren Risiken vorgesorgt."
Auch wenn es nicht entschuldbar ist: Es mag sein, dass der Vorstand der Bank seinerzeit davon noch nicht umfassend unterrichtet war, was es mit den "von Strukturvertrieben vermittelten Immobilienfinanzierungen" und ihren Risiken auf sich hat. "Irreführend" und "unrichtig" waren die damals erschienenen und sich später häufenden Medienberichte keineswegs. Zwischenzeitlich hat sich – ganz im Gegenteil – vielmehr gezeigt, dass die Verwicklung der ehemaligen HypoBank viel umfassender und der durch ihre Kreditvergabepraxis angerichtete Schaden wesentlich größer ist, als es die ersten Berichterstattungen der Medien vermuten ließen.
Dass die ehemalige HypoBank in deutlich mehr als 100.000 Fällen Darlehen bereit gestellt hat, die sich wenige Jahre später als Problemkredite erwiesen haben, ist heute nicht ernsthaft zu bestreiten. Einige Filialen, etwa Würzburg, haben sich dabei besonders hervorgetan, vermutlich Indiz für die "Rührigkeit" ihrer Leiter. Dieses Institut – und damit auch die HypoVereinsbank – ist damit schon rein quantitativ mit Abstand am stärksten in diese fragwürdige Art der Immobilienfinanzierung verstrickt.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ans Licht kam, dass diese Verstrickung weit über die bloße Vergabe von Darlehen hinausgeht: Treuhänder/"Konzeptionäre", Strukturvertriebe und die HypoBank schnürten gemeinsam jenes Paket, das später dann als Treuhandmodell bezeichnet werden sollte. Dokumentarisch eindeutig belegt ist, wie eng speziell die Zusammenarbeit mit einzelnen Vertriebsgesellschaften war (vgl. auch Abschnitt 4.2). Sie äußerte sich insbesondere drin, dass deren Mitarbeiter durch Referenten der Bank systematisch geschult und auf diese Weise mit erfolgversprechenden Verkaufsargumenten ausgestattet wurden. Wenn dies erst nach einiger Zeit ruchbar wurde, so nicht zuletzt deshalb, weil im Zuge der Fusion zwischen den beiden Großbanken zahlreiche Akten vernichtet wurden, aus denen eben dies hervorgeht. Vollumfänglich ist das allerdings nicht gelungen. So wurde beispielsweise im Rahmen eines WISO-Berichts, ausgestrahlt vom ZDF am 19. Februar 2001, einer breiten Öffentlichkeit durch Einblendung eines Dokuments folgender Wortlaut zur Kenntnis gebracht: "Die HypoBank ist bereit, ..., Schulungen anzubieten. Referenten und Schulungsmaterial werden kostenlos durch die HypoBank gestellt."
Für die mit der Materie befassten Verbraucheranwälte steht heute längst fest, dass die Strukturvertriebler als "Vermittler", "Zuführer" oder gar als "Drückerkolonnen" – Bezeichnungen, die interessanterweise in Bankendokumenten auftauchen – den Kreditinstituten, allen voran der HypoBank, systematisch zugearbeitet haben. Auch hier ist ein in der genannten Sendung eingeblendete Mitteilung des internen Informations- und Weisungsdienstes der HypoBank aufschlussreich, wonach "das Vermittlergeschäft ... sogar ertragreicher (ist) ... wie das eigenakquirierte Geschäft."
Das Ausmaß der Verstrickung speziell der HypoBank wird noch deutlicher, wenn man von dem zwischenzeitlich ebenfalls bekannt gewordenen Tatbestand – Rechtsanwälten bekannte Informanten sind ehemalige Mitarbeiter – erfährt, dass dieses Institut sogar an der Festlegung der Preise für die verkauften Immobilien aktiv mitwirkte. Ihr Interesse an möglichst hohen Darlehenssummen führte dabei – ein geradezu unglaublicher Vorgang – regelmäßig zu Kalkulationen, die deutlich über dem Verkehrswert lagen!
Was sich einige Jahre lang als blendendes Geschäft darstellte, erwies sich spätestens dann als äußerst riskante Kreditvergabepraxis, als mehr und mehr Erwerber wegen der Entwicklung der Wohnanlagen nicht mehr in der Lage waren, die Darlehenszinsen aufzubringen. Ferner wurde zunehmend deutlich, dass auch mit der Rückzahlung vieler Kredite nicht zu rechnen war, erkennbar daran, dass viele Eigentümer die zur späteren Ablösung der Darlehen abgeschlossenen Kapitallebensversicherungen nicht länger weiterführen konnten oder wollten. (Wegen der erforderlichen Abtretung erlangt die Bank von solchen Vorgängen automatisch Kenntnis.)
Zur Bereinigung der von der HypoBank übernommenen Immobilienlasten hat sich die Rechtsnachfolgerin später genötigt gesehen, ein so genanntes Workout-Portfolio zu definieren. Nach außen hin sucht die HypoVereinsbank den Eindruck zu vermeiden, dass zu diesem Portfolio auch die von Strukturvertrieben vermittelten Immobilienfinanzierungen gehören. Intern wird dies längst anders gehandhabt: Der Briefwechsel mit geschädigten Erwerbern fällt in die Zuständigkeit der Abteilung "Workout Immobilien" – dies zumindest dann, wenn sie es mit der Zentrale in München oder der Niederlassung Düsseldorf zu tun haben!
4.2
Wie die
HypoVereinsbank mit ihrer Erblast umgeht
Zum Zeitpunkt der Fusion der beiden Institute im Jahr 1998 konnte man noch davon ausgehen, dass dem neuen Vorstand das Ausmaß der Verstrickung in die fragwürdige Immobilienfinanzierung auf der Basis des Treuhandmodells nicht bekannt war (vgl. Abschnitt 4.1). Heute ist eine Berufung auf fehlendes Wissen nicht länger möglich. Allein die Zahl laufender oder sich abzeichnender gerichtlicher Auseinandersetzungen, von der Bank betriebener Zwangsvollstreckungsverfahren sowie zwischenzeitlich notgedrungen geschlossener Vergleiche mit zahlungsunfähigen Darlehensnehmern ist unübersehbar groß.
Bislang gibt es allerdings keinerlei Anzeichen dafür, dass die Bank zu ihrer Erblast steht. Dies könnte damit zusammen hängen, dass man unter allen Umständen einen Dammbruch verhindern will, der den Vorstand in arge Bedrängnis und das Institut möglicherweise sogar in existenzgefährdende Schwierigkeiten bringen würde. Vorerst hat man es nämlich "nur" mit ein paar tausend Geschädigten zu tun, die sich – meist notgedrungen, um sich gegen Vollstreckungen zu wehren – anwaltlich vertreten lassen. Eingeschüchtert durch unverhohlene Drohungen mit "Zwangsmaßnahmen" legen die weitaus meisten Betroffenen Zurückhaltung an den Tag, würden diese aber selbstverständlich bei ersten Anzeichen von (ggf. erzwungenen) "Zugeständnissen" aufgeben. Auf eine moralisch äußerst fragwürdige Art von "Entgegenkommen" lässt sich das Institut nur in jenen Fällen ein, in denen es überhaupt keine Chance gibt, dass das Darlehen jemals zurückgezahlt werden kann. "Wenn eine soziale Notlage vorliegt, werden wir helfen" lautet das von einem Sprecher der Bank ausgegebene (heuchlerische) Motto.
Die offizielle Version, mit der sich die HypoVereinsbank ihrer Erblast zu entledigen sucht, kann einer Stellungnahme des Vorstandes zu einem Gegenantrag zur Hauptversammlung des Instituts im Mai 2001 entnommen worden. Von einem Kleinaktionär wird dort verlangt, dem Leitungsorgan wegen schwerwiegender Versäumnisse im Schadensmanagement zu Lasten von Kunden und Aktionären keine Entlastung zu erteilen. Wegen gravierender Beratungsfehler und unrealistischer Prognosen zur Wertentwicklung beim Vertrieb von Wohnungen sei mit hohen Schadenersatzforderungen zu rechnen.
Die Stellungnahme des Vorstands besteht zunächst in der lapidaren Feststellung, es gebe "keinerlei Anhaltspunkte" für das Bestehen von Schadenersatzverpflichtungen. Man kann dies als die Rechtsposition des Instituts interpretieren. Dann allerdings folgt eine wahrhaft infame Behauptung: "Soweit sich in Einzelfällen(!) das immer bestehende Risiko einer unerwarteten Marktentwicklung im Immobilienbereich realisiert hat, liegt dies nicht im Verantwortungsbereich der Bank" – infam deshalb, weil angesichts einer unübersehbar großen Zahl betroffener Opfer von Einzelfällen gesprochen wird. Es ist übrigens exakt das gleiche Argument, mit dem jene Geschädigten einzuschüchtern versucht werden, die von der Bank Schadenersatz fordern oder eine weitere Zahlung von Darlehenszinsen verweigern.
Dies ist beileibe nicht die einzige
dreiste Lüge, der man sich zur pauschalen Abwehr von Forderungen bedient.
Gelegentlich kommt es dabei auch zu argen Peinlichkeiten: In der bereits
erwähnten WISO-Reportage des ZDF über das Kreditvergabegebaren der Bank wird
deren Sprecher gefragt, ob externe Vermittler in der Vergangenheit systematisch
geschult worden seien. Die Antwort: "Es ist so, dass es solche Schulungen
in organisierter Form in der alten HypoBank nicht gegeben hat." Das
unmittelbar danach eingeblendete Dokument (vgl. Abschnitt 4.1) beweist das
genaue Gegenteil...
Angesichts eines derartigen Umgangs mit der Wahrheit drängt sich die Frage auf, ob das Institut seinen Mitarbeitern – sei es ein Sprecher der Bank oder seien es die mit der Abwicklung des Workout-Portfolios befassten Fachkräfte – nicht eine äußerst fragwürdige Spielart von Loyalität abverlangt. Muss sich auf einem solchen Boden nicht zwangsläufig eine Unternehmenskultur entwickeln, die jedes Potenzial für eine positive Ethik vermissen lässt?
Kultur und Ethik werden bekanntlich stark von den an der Spitze des Unternehmens stehenden Personen geprägt. Was soll man in dem hier relevanten Zusammenhang dann von der folgenden Äußerung halten, zu der es im Rahmen eines Interviews des Nachrichtensenders ntv am 19. Januar 2001 mit dem Vorsitzenden des Vorstands gekommen ist? Die Frage, ob es bei der HypoVereinsbank noch "Probleme mit Immobilien" gebe, beantwortete dieser wie folgt: "Der Keller ist sauber. Da gibt es nichts, was es noch zu bereinigen gilt."
Diese Äußerung fiel übrigens im
Zusammenhang mit der seinerzeit gerade unter Dach und Fach gebrachten
Akquisition der Bank Austria. Ob deren Aktionäre, die ja per Aktientausch abgefunden wurden, im Vorfeld davon unterrichtet
wurden, dass die HypoVereinsbank in Gestalt fragwürdig finanzierter Immobilien
sehr wohl noch einen hohen Wertberichtigungsbedarf hat?
Im Übrigen hat es nicht an Versuchen gefehlt, den Vorstandsvorsitzenden jener Bank, deren Ethikverständnis hier auf dem Prüfstand steht, persönlich und ausführlich über die verzweifelte Lage zu informieren, in dem sich die auf Basis des Treuhandmodells entstandenen Objekte befinden. Vor diesem Hintergrund und im Wissen darum muss man es zwangsläufig als blanken Zynismus empfinden, wenn die Existenz eines unübersehbar großen Problems – wie erinnerlich geht es um mehr als 100.000 allein von der HypoBank (fehl)finanzierte kleine Eigentumswohnungen – mit einer flapsigen Bemerkung weggeleugnet wird.
Könnte nicht auch dies etwas mit
der Erblast der HypoVereinsbank zu tun haben? Unter Federführung eines
Vorstandsmitglieds dieses Instituts sucht sich der Bankenverband seit geraumer
Zeit mit aller Macht gegen die Einführung einer neuen Rechnungslegungsvorschrift
zu wehren, die eine Bilanzierung fast aller Finanzinstrumente zu Zeitwerten (Full Fair Value Accounting) vorsieht
(Handelsblatt vom 8.5.2001, S. 42). Sie beträfe auch das Kreditportfolio und
würde unter anderem die Pflicht zur sofortigen Offenlegung jener Ausleihungen
begründen, mit deren Rückzahlung wegen faktischer Insolvenz der Erwerber von
Immobilien nicht mehr zu rechnen ist, alle die Fälle also, in denen die Bank
wegen "sozialer Notlage" zu "helfen" sich gezwungen sieht.
Es darf wohl unterstellt werden, dass an dieser Art von Transparenz keinerlei
Interesse besteht. Oder schärfer formuliert: Je größer der bilanzpolitische
Spielraum, desto besser lässt sich vor den Aktionären und der Öffentlichkeit
verschleiern, wie hoch das Ausmaß der Verstrickung in die geschilderten
Kreditvergabepraktiken in Wirklichkeit ist!
5.
Resümee
Wo individuelle Moral (so
kläglich) versagt, sollten da nicht Recht und Gesetz helfen können? Müsste es
nicht etwa möglich sein, dass die in unsere Rechtsordnung einfließende Institutionenethik es vermag, (fehlende) Individualethik angemessen zu
substituieren? In einem Rechtsstaat ist dies eine auf der Hand liegende Erwartung.
Bislang gibt es dafür kaum Anhaltspunkte; dies auch angesichts des Tatbestands, dass mittlerweile zahlreiche Fachartikel erschienen sind, die sich mit "Bankenhaftung bei gescheiterten Immobilientreuhandmodellen" (Lambsdorff/Stüsser 2001) und verwandten juristischen Problemen befassen (vgl. ferner etwa Ahr 2000; Fuellmich/Rieger 1999a; Köndgen 2000; Lange/Franck 2000; Spickhoff/Petershagen 1999) und deren Autoren, wenn nicht gerade dem Lager der Bankenanwälte zuzurechnen, praktisch übereinstimmend zu dem Ergebnis kommen, dass sich Banken das Verhalten von Strukturvertriebsmitarbeitern bei einer als Distanzgeschäft abgewickelten Finanzierung von Immobilien (einschließlich Immobilienbeteiligungen) sehr wohl zurechnen lassen müssen.
Haupthindernis für die Durchsetzung der Interessen betrogener Investoren gegenüber den darlehensgebenden Instituten ist eine vom 11. Senat des Bundesgerichtshofs ("Bankensenat") eingenommene Position, die als "Trennungstheorie" bezeichnet wird. In die Welt gesetzt wurde dieses an Künstlichkeit kaum zu überbietende Konstrukt übrigens von Juristen, die im Dienst von Banken stehen: Weil Darlehens- und Kaufverträge zwei voneinander unabhängige Geschäfte seien, könnten Banken auch keine falschen Angaben des Vertriebs – etwa zu Mieteinnahmen oder Steuervorteilen – angelastet werden. "Künstlich" ist eine derartige Problemsicht deshalb, weil Wohnung und Darlehen von ein und demselben Vermittler als Paket angeboten wurden und damit auch kein Zweifel daran bestehen kann, dass es sich um ein wirtschaftlich einheitliches Geschäft handelt.
Es würde zu weit führen, an dieser Stelle darüber zu spekulieren, warum der 11. Senat des BGH eine Position einnimmt, von der doch auf der Hand liegt, dass sie zum Freibrief für Nachfolgeaktivitäten à la Treuhandmodell taugt. Wer nach einer Antwort im Internet sucht, wird schnell fündig: Täterschutz rangiert vor Opferschutz. Das Internet durchzieht übrigens noch eine weitere Botschaft, die Interesse finden müsste: Wenn es um die Deckung von Fremdbedarf geht – nie wieder eine Immobilie!
Literatur
> Ahr, E. (2000): Welches Verhalten von Strukturvertriebsmitarbeitern oder anderen Finanz- und Immobilienvermittlern muss sich eine Bank, die Immobilien oder Immobilienbeteiligungen im Wege des so genannten Distanzgeschäfts finanziert, zurechnen lassen?, in: Verbraucher und Recht, 15. Jg., Heft 8, S. 263-267. > Fuellmich, R./Rieger, St. (1999): Treuhandmodelle als Quelle für Massenschäden in Milliardenhöhe, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 20. Jg., Heft 11, S. 427-434. > dies. (1999a): Die Haftung der Banken für massenhaft fehlerhafte Treuhandmodellfinanzierungen, in: Zeitschrift für Wirtschaftsrecht, 20 Jg., Heft 12, S. 465-476. > Köndgen, J. (2000): Die Entwicklung des Bankkreditrechts in den Jahren 1995-1999, in: Neue Juristische Wochenschrift, 53. Jg., Heft 7, S. 468-482. > Lambsdorff, H.G./Stüsser, J. (2001): Bankenhaftung bei gescheiterten Immobilientreuhandmodellen – Verschuldenszurechnung externer Vertriebsmitarbeiter, in: Verbraucher und Recht, 16 Jg., Heft 1, S. 3-11. > Lange, W./Franck, M. (2000): Widerruflichkeit von Darlehensverträgen zur Finanzierung nach dem Haustürwiderrufsgesetz, in: Wertpapier-Mitteilungen, 54. Jg., Heft 48, S. 2364-2369. > Spickhoff, A./Petershagen, J. (1999): Bankenhaftung bei fehlgeschlagenen Immobilienerwerber-Treuhandmodellen, in: Betriebs-Berater, 54. Jg., Heft 4, S. 165-173. > Weise, P. (2000): Individualethik oder Institutionenethik: Die Resozialisierung des homo oeconomicus, in: Zeitschrift für Wirtschafts- und Unternehmensethik, Jg. 1, Heft 1, S. 9-30.
Zum Autor
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Prof. Dr. Günther Schanz, geb. 1943, ist Direktor des Instituts für Unternehmensführung der Universität Göttingen. Hauptarbeitsgebiete sind Unternehmensführung, Organisation, Personalwirtschaft, Grundlagenprobleme der Betriebswirtschaftslehre sowie betriebswirtschaftliche Ostasienforschung |